Montag, 20.06.2022
„Güllealarm“ in Vechta: Von Freitagmittag an (17.Juni) rollten weit über hundert mehr oder weniger auf Hochglanz polierte Honda CX/GL 500/650 aus allen Himmelsrichtungen zum BdKJ-Jugendhof. Sie kamen – nach 2-jähriger Corona-Pause – zum 24. norddeutschen Güllepumpentreffen.
Früher verspottet, heute Kult: Eine “Güllepumpe” nannte Comic-Zeichner Brösel (Rötger Feldmann) das damals sehr erfolgreiche Modell aus dem Hause Honda in seinem 1985 erschienenen Comic “Werner – eiskalt!”. Heute ist der Schmähname längst etabliert und wird von den Besitzer*innen der V2-Maschinen selbstironisch und mit Stolz verwendet. Die Mitglieder des Güllepumpen CX/GL Freundeskreis Weser/Ems/Elbe e.V. erhalten diese Oldies und laden bereits seit 1997 dazu ein, dieses Stück Technikgeschichte zu feiern. Jüngere Menschen oder jene, die sich in der Motorradszene nicht so auskennen, reagieren schon mal mit verstörtem Gesichtsausdruck, wenn sie von einem “Güllepumpen-Treffen” hören: “Was – sowas gibt’s tatsächlich?” Ganz offensichtlich denken die dann nicht an ein Motorrad …
Die ca. 40 Vereinsmitglieder besitzen oftmals gleich mehrere davon. Sie sind aber nicht die einzigen Fans des kleinen V2’s, der mit seinem ungewöhnlichen Laufgeräusch Immer erkennbar bleibt. Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg wies zum 1.1.2019 noch einen Bestand von 13880 Güllepumpen in Deutschland auf – neuere Zahlen gibt es leider nicht.
Korso vom Dümmer aus nach Vechta
Rund 150 dieser japanischen Bikes kamen nun nach Vechta. Aus Niederlande, Dänemark, Frankreich, Schweiz und sogar England/UK kamen die Teilnehmer*innen und natürlich aus allen Teilen Deutschlands. Insgesamt ca. 280 Fans besuchten Vechta, einige auch zum ersten Mal. Manche fahren inzwischen andere Maschinen, sind aber dem Modell trotzdem treu geblieben und treffen so die alten Freunde wieder. Ein großer Teil davon nahm jetzt nach der coronabedingten Pause von zwei Jahren auch wieder an dem üblichen Korso teil. Die Motorradkarawane setzte sich am Sonnabend um 15 Uhr am Dümmer in Bewegung und sorgte für Aufsehen im Landkreis.
Auch heute sind diese Fahrzeuge kein Verkehrshindernis, weshalb die Liebhaber dieser ca. 40-jährigen Oldies damit auch in der Regel nicht nur sonntags unterwegs sind. Viele Maschinen werden noch regelmäßig gefahren. Auf Treffen von CX/GL-Fahrenden, wie jetzt in Vechta, wird deutlich: Keine Maschine gleicht der anderen. Viele teilnehmende Fahrzeuge sind verändert, einige sogar sehr stark umgebaut. Es gibt Chopper, Beiwagen-Gespanne, Café-Racer, Rennmaschinen, Tourer, Full-Dresser und sogar Groß-Enduros. Honda selbst hat schon ab Werk elf Varianten mit dem typischen quer eingebauten, wassergekühlten V2-Motor gebaut, die bis auf wenige Ausnahmen jetzt in Vechta zu finden waren. Die meisten haben über 40 Jahre in Fahrwerk und Motor. Laufleistungen von rund 100.000 km sind üblich, über 200.000 km sind nicht selten, was für die solide Konstruktion der Maschine spricht – gute Pflege vorausgesetzt.
In den 1990er Jahren waren diese Motorräder aber zunehmend unbeliebt geworden und waren als Gebrauchtmaschine dann günstig zu haben. Oft griffen die “Wiedereinsteiger” zu diesem Modell, weil hier eine solide Konstruktion und geringer Pflegeaufwand zu einem günstigen Kaufpreis zu bekommen war. Diese Käufergruppe war weniger an Highspeed und maximaler Leistung interessiert und fand mit der CX500 oder den GL-Modellen das Passende. In neuerer Zeit wurden CX oder GL-Modelle dann auch von der Schrauber- und Tuner-Szene entdeckt. Aufgrund ihrer Langlebigkeit und des weitgehend unverwüstlichen Motors nahmen sich viele dieser Maschine an, mittlerweile werden auf Treffen wie jetzt in Vechta, aber auch auf Instagram oder Facebook solche Objekte stolz präsentiert.
Das Hobby ist inzwischen nicht mehr ganz billig. Manche Teile sind nur schwer zu bekommen, müssen aufwändig nachgefertigt werden. Viele Maschinen sind auch nicht gut gepflegt und erfordern eigentlich hohen Restaurationsaufwand. Solche Maschinen sind noch leicht erhältlich, gute Exemplare sind dagegen erheblich teurer. Das ist auch berechtigt, denn die Kosten für neue Chromteile, einer kompletten Motorrevision oder Sattlerarbeiten übersteigen sehr schnell den vermeintlich günstigen Kaufpreis, sogar für Selbstschrauber.
Kultmaschine Honda CX500 – und Varianten
Zwischen 1978 und 1985 wurden ca. 45.000 dieser Maschinen nach Deutschland importiert. Anfang 2019 waren vom Kraftfahrtbundesamt in Flensburg (KBA) noch ca. 14.000 Stück als zugelassen registriert. Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Honda CX500 und ihrer Varianten ist aktuell nicht mehr festzustellen. Das KBA hat seine Datenspeicherung verändert, heute bekommen veränderte Motorräder neue Typ-Schlüsselnummern (TSN). Somit werden sie in einer Datenabfrage nicht mehr erkannt und es werden zu niedrige Zahlen ausgegeben. Es gibt aber eine aktive Liebhaberszene, die sich etwa an Stammtischen trifft und in Internetforen austauscht. Viele Besitzer*innen halten das Fahrzeug inzwischen als Sammelstück und sind mit der CX 500 gealtert. Durch die lange Haltezeit haben sich Freundschaften entwickelt und es entstand ein Familiengefühl in der Szene. Den Spottnamen “Güllepumpe” erhielt die CX 500 von der Comic-Figur “Werner” wegen seiner Wasserkühlung, die seinerzeit als Stilbruch im Motorradbau empfunden wurde. Wegen der technischen Vorteile hat sich die Wasserkühlung inzwischen allgemein bei Motorrädern durchgesetzt.